Hamburg, 04.06.2025. Seit Jahren diskutiert die Fachwelt über die Straßensozialarbeit in Hamburg, nun liegt ein Konzept der Sozialbehörde für eine inhaltliche Neuausrichtung vor. An der Diskussion haben sich auch die Hamburger Wohlfahrtsverbände beteiligt, die ihr Praxiswissen und fachliche Empfehlungen beigesteuert haben. In dem nun vorliegenden Konzept haben einige wichtige Hinweise der Fachleute allerdings keinen Niederschlag gefunden. Die Bewertung der Verbände fällt daher gemischt aus.
„Wir sehen einerseits wirklich hilfreiche Ansätze, dazu zählt in erster Linie die dringend erforderliche Ausweitung der Stellen in der Straßensozialarbeit“, sagt Sandra Berkling von der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Hamburg (AGFW), dem Zusammenschluss der Hamburger Wohlfahrtsverbände. „Ebenso begrüßen wir, dass Straßensozialarbeitende endlich direkte Zugänge – sogenannte Fast Lanes – zu Behörden erhalten sollen, um Wartezeiten zu verkürzen.“
Andere Maßnahmen rufen dagegen Skepsis hervor. So kritisieren die Verbände die im Konzept formulierte „Beharrlichkeit“ im Umgang mit den Klient*innen, die darauf abzielen soll, die Lebenslage der betroffenen Menschen zu verändern. „Die Kolleg*innen, die auf der Straße arbeiten, bleiben natürlich an den Menschen dran und versuchen, gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden. Es wird aber nicht funktionieren, Lösungen vorzugeben oder Druck auszuüben. Eine beharrliche Ansprache, wie sie das Konzept vorsieht, konterkariert den fachlichen Ansatz der Straßensozialarbeit und wird ins Leere laufen“, so Berkling.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die „verbindliche Zusammenarbeit mit den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden“, die von den Straßensozialarbeitenden eingefordert wird. Aus Sicht der Verbände ist hier eine klare Abgrenzung nötig. Straßensozialarbeit handelt im Interesse der Menschen auf der Straße und ergreift für sie Partei. Nur so lässt sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen, das unabdingbare Grundlage für das Wirken von Straßensozialarbeit ist. Ein solches Vertrauensverhältnis nimmt Schaden, wenn Straßensozialarbeit in den Verdacht gerät, für ordnungspolitische Zwecke eingespannt zu werden. Daher ist genau zu prüfen, auf welche Weise die Zusammenarbeit mit Sicherheits- und Ordnungsbehörden ausgestaltet werden soll.
Im Konzept wird zudem ein zentraler Aspekt nur unzureichend ausgeleuchtet: Die fehlende Anschlussperspektive für Menschen, die auf der Straße leben. Solange es für diese Zielgruppe keine geeigneten Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten gibt – in der öffentlich-rechtlichen Unterbringung, in besonderen Wohnformen oder in der Eingliederungshilfe – wird sich die Lebenslage der Betroffenen nicht wesentlich ändern.
Berkling: „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass die Lebenslage der Menschen durch ein verändertes Handeln der Straßensozialarbeitenden herbeigeführt werden kann. Das Kernproblem bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist, dass Straßensozialarbeitende den Menschen keine echten Zukunftsoptionen anbieten können.“
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