Bessere Perspektiven für Langzeiterwerbslose in Hamburg!

Positionspapier des Hamburger Bündnisses für öffentlich geförderte Beschäftigung

Bessere Perspektiven für Langzeiterwerbslose in Hamburg!
Positionspapier des Hamburger Bündnisses für öffentlich geförderte Beschäftigung


Arbeit ist eine elementare Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Langzeitarbeitslosen Menschen eröffnet die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung neue ökonomische und soziale Perspektiven. Am 1. Januar 2019 ist das Teilhabechancengesetz (THCG) in Kraft getreten, das eine bessere Unterstützung von Langzeiterwerbslosen ermöglichen soll. Das Gesetz formuliert das neue Regelinstrument §16i SGB II (Teilhabe am Arbeitsmarkt) und erweitert den bereits bestehenden Paragrafen 16e SGB II (Eingliederung von Langzeitarbeitslosen).
Das Hamburger Bündnis für öffentlich geförderte Beschäftigung begrüßt grundsätzlich die Intentionen des THCG. Denn damit rückt der Gesetzgeber die soziale Teilhabe von langzeitarbeitslosen Menschen in den Fokus. Allerdings sehen wir in der Praxis derzeit noch Umsetzungsprobleme, die auch strukturellen Unzulänglichkeiten des Gesetzes selbst geschuldet sind.

Mit welchen Mängeln das Gesetz behaftet ist, zeigt sich bereits bei der bescheidenen Zielsetzung für Hamburg. So gehören in Hamburg nach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) etwa 19.600 Menschen zur Zielgruppe des Instruments §16i. Tatsächlich wurden in 2019 aber nur für 581 Personen Beschäftigungsverhältnisse im Rahmen des §16i geschaffen. Ein Blick auf die BA-Statistik zeigt, dass Hamburg im bundesweiten Vergleich Schlusslicht ist.

Als Bündnis treten wir dafür ein, dass die öffentlich geförderte Beschäftigung in Hamburg deutlich ausgebaut wird. Wir wollen daran mitwirken, dass das Teilhabechancengesetz zum Erfolg geführt wird und für alle Beteiligten tragfähige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Hier ist auch die Hamburger Politik gefragt, die Schwachstellen des TCHG auszubessern.

Unsere Forderungen im Einzelnen:

1. Ausreichende Finanzierung von Unterstützungsstrukturen:
Menschen, die über mehrere Jahre vom Arbeitsprozess ausgeschlossen waren, brauchen bei der Eingliederung in Firmenabläufe ggf. eine andere und intensivere Begleitung als ansonsten üblich. Dieser Aufwand für Arbeitgeber wird durch die Lohnkostenförderung allein aber nicht gedeckt. Im Vorgängerprogramm „Soziale Teilhabe“ wurden Arbeitgeber noch durch eine Kofinanzierung des Landes Hamburg unterstützt. Jetzt wird von Arbeitgebern erwartet, dass sie die Kosten für die Infrastruktur erwirtschaften und mit ihren Gewinnen auch die Degression bei der Lohnkostenförderung ausgleichen. Gerade kleineren Unternehmen und sozialen Trägern bereitet dies Probleme. Wir fordern deshalb eine vollständige Finanzierung der realen Arbeitsplatzkosten und erwarten, dass Hamburg neben ESF-Mitteln und Geldern aus dem kommunalen Passiv-Aktiv-Transfer (PAT) auch eigene Haushaltsmittel bereitstellt, um für alle Arbeitgeber – unabhängig von Rechtsform und Geschäftsmodell – eine auskömmliche und bedarfsorientierte Finanzierung zu gewährleisten. Darüber hinaus sehen wir die Möglichkeit, weitere Mittel über die Freie Förderung nach §16f SGB II zu akquirieren.

2. Verlässliche Perspektiven für soziale Quartiersprojekte:
Insgesamt sind 75% der Arbeitsverhältnisse der öffentlich geförderten Beschäftigung in Hamburg bei den Beschäftigungsträgern angesiedelt, gut die Hälfte bei Quartiersprojekten. Die Träger haben eine langjährige Expertise in der Beschäftigung von langzeitarbeitslosen Menschen, gleichzeitig wissen sie um die Bedarfe der Stadtteilbewohner*innen und richten ihre Beschäftigungsangebote darauf aus. Mit ihren Quartiersprojekten (z. B. mit Secondhandläden, Stadtteilcafés u.ä.) ermöglichen die Träger somit nicht nur ihren Beschäftigten gesellschaftliche Teilhabe, sondern schaffen auch einen Nutzen für benachteiligte Bewohner*innen.
Mit einer Finanzierung über den Europäischen Sozialfonds (ESF) hatte die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) 2019 kurzfristig dafür gesorgt, dass die Quartiersprojekte in benachteiligten Stadtteilen erhalten werden können. Mittelfristig ist aber entgegen anderslautenden Ankündigungen weiterhin nur eine Förderung durch den ESF geplant. Die Zukunft von Quartiersprojekten, die einen maßgeblichen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt leisten, darf aber nicht von einem zeitlich befristeten, mit volatilen Ressourcen ausgestatteten Instrument wie dem ESF abhängig gemacht werden. Diese Projekte brauchen eine verlässliche und ausreichende Finanzierung, die eine langfristige Planung erlaubt.
Öffentlich geförderte Beschäftigung muss im Kontext sozialer, quartiersbezogener Entwicklungen gesehen werden. Die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen in Quartiersprojekten ist Teil der lokalen Armutsbekämpfung und diese kostet Geld. Würde die Stadt für diese Form der Armutsbekämpfung eigene Mittel zur Verfügung stellen, könnten weitere, an eine Kofinanzierung gebundene Gelder nutzbar gemacht werden. Dann wäre es auch möglich, die Zielzahlen für Hamburg zu erhöhen und bis zu 3.000 Beschäftigungs-verhältnisse für langzeitarbeitslose Menschen zu schaffen.

3. Fachkompetente Begleitung der Arbeitnehmer*innen:
Bei (potentiellen) Arbeitgebern bestehen Bedenken, dass das Coaching von einem externen Dienstleister durchgeführt wird und außerdem nicht am Beschäftigungsort stattfindet. Inwieweit unter diesen Umständen betriebsrelevante Schwierigkeiten wirklich nachhaltig bearbeitet werden können, ist zweifelhaft. Darüber hinaus steht auch die Zielgruppenorientierung des Coachings in Frage, beispielsweise im Hinblick auf z.T. einschlägige psychische Belastungen und sprachliche Barrieren, ebenso wie auf die fehlende Wahlfreiheit von Coaches.
Statt eines zentralen Coachings fordern wir eine arbeitsplatznahe, fachkundige Begleitung, die langzeitarbeitslose Menschen allumfassend unterstützt. Diese Begleitung könnte z.B. durch die Beschäftigungsträger erfolgen oder durch ein Angebot, das sich an der Praxis der Servicestelle ZAQ orientiert. Zu dieser Unterstützung gehören zum Beispiel Hilfe beim Aufbau einer Alltagsstruktur und bei der Integration in betriebliche Abläufe.

4. Vereinfachung des Zuweisungsverfahrens:
Die Abstimmungs- und Antragsverfahren sind hochbürokratisch und arbeitsmarktfern. Das schreckt viele, auch interessierte Arbeitgeber ab. Diese Verfahren sollten daher unbedingt verschlankt und die Zuweisung vereinfacht werden. Der Charme des Gesetzes besteht gerade darin, dass es sehr klare und einfache Fördervoraussetzungen formuliert. Mit der Zuweisung durch die Jobcenter und der damit verbundenen Überprüfung anderer geeigneter Maßnahmen fließen aber faktisch andere als die gesetzlich festgelegten Kriterien in die Zuweisungsentscheidungen ein. Damit besteht die Gefahr intransparenter Creamingeffekte.

Hamburg, 23. Januar 2020

Das Hamburger Bündnis zur öffentlich geförderten Beschäftigung hat sich 2015 konstituiert. Mitglieder des Bündnisses sind die Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), der Sozialverband Deutschland (SoVD), der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) und die LAG Arbeit. Die Bündnispartner setzen sich gemeinsam dafür ein, mit ögB langzeitarbeitslosen Menschen wieder eine Perspektive zu geben und die Rahmenbedingungen für solche Beschäftigungsverhältnisse zu verbessern.
  • 2020-01-23

Positionspapier_Perspektiven-fuer-Langzeitarbeitslose_Januar-2020.pdf (685 KB)